BVerfG bestätigt – auch BILD-Zeitung muss sich an von der Media Kanzlei erwirkte Urteile halten
Mit Beschluss vom 18.12.2019 hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 29.01.2019 – AZ 16 W 4/19 nicht zur Entscheidung angenommen. Mit dieser Nichtannahme hat das BVerfG die ursprüngliche Entscheidung des LG Frankfurt am Main vom 09.11.2018 – AZ 2-03 O 292/17 sowie die des OLG bestätigt.
In der Sache ging es um eine Berichterstattung der BILD über die G20-Proteste in Hamburg im Jahr 2017. Unsere Mandantin war dort als friedliche Demonstrantin beteiligt. Die BILD-Zeitung veröffentlichte indes im Rahmen eines von der Polizei nicht genehmigten oder initiierten privaten Fahndungsaufrufs ein Foto, auf welchem unsere Mandantin eindeutig zu erkennen war. Im zugehörigen Artikel wurde unterstellt, dass die Mandantin schwere Straftaten begangen habe und sie wurde als Schwerkriminelle bezeichnet. Dies entsprach nicht den Tatsachen. Dies sah das LG Frankfurt am Main als schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung und untersagte der BILD bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00 die Behauptungen und Bilder zu verbreiten.
Diese Entscheidung wollte die BILD offenbar nicht akzeptieren und veröffentlichte einen zweiten Artikel, in dem sie erneut teilweise identische und teilweise hochgradig ähnliche Bilder unserer Mandantin zeigte und dazu schrieb, dass das LG Frankfurt ihr die Veröffentlichung dieser Bilder verbieten wolle. Die unbegründeten Vorwürfe gegen unsere Mandantin wiederholte die BILD ebenfalls. Da sie durch diese weitere Berichterstattung nach Ansicht der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Media Kanzlei gegen die gerichtliche Untersagung verstoßen hatte, beantragten diese ein empfindliches Ordnungsgeld, das LG Frankfurt am Main und auch das OLG bestätigten die Ansicht und verhängten ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 50.000,00 gegen die BILD. Das Ordnungsgeld traf die BILD sogar in zweifacher Hinsicht, da sie EUR 50.000,00 wegen der Veröffentlichung des zweiten Artikels in der Printausgabe der Zeitung zu zahlen hat sowie weitere EUR 50.000,00 wegen der zusätzlichen Veröffentlichung auf ihrer Onlinepräsenz.
Die BILD hat das Bundesverfassungsgericht angerufen und wollte von diesem festgestellt wissen, dass die Entscheidungen des OLG und des LG gegen die grundrechtlich garantierte Pressefreiheit verstoßen. Nach Ansicht der BILD hatte sie nicht die bereits verbotene Berichterstattung wiederholt, sondern lediglich einen Bericht darüber verfasst, dass das LG Frankfurt ihr die Berichterstattung untersagt hätte.
Das Bundesverfassungsgericht bewertete diese Argumentation – ebenso wie das LG und OLG Frankfurt – als unzulässige Umgehung des Verbots und hat damit bestätigt, dass sich auch die BILD-Zeitung an gerichtliche Entscheidungen halten muss und Verbote nicht durch eine vermeintliche geschickte Verpackung umgehen kann.
Bundesverfassungsgericht
Beschluss v. 18.12.2019 - Az.: 1 BvR 957/19
Leitsatz
Keine Umgehung eines gerichtlichen Verbots
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die zivilgerichtliche Verhängung eines Ordnungsgeldes. Nachdem ihr durch rechtskräftiges Urteil untersagt worden war, die Klägerin "im Zusammenhang mit der Suche nach den G20-Verbrechern durch Bekanntgabe ihres nachfolgend wiedergegebenen Bildnisses erkennbar zu machen", veröffentlichte sie unter anderem ein schon zuvor ausschnittsweise in vergrößerter Form erstveröffentlichtes Bildnis der Klägerin unter Hinweis darauf erneut, dass sie "diese Fotos von den G20-Ausschreitungen in Hamburg … so nicht mehr zeigen" dürfe, "wenn es nach dem Landgericht" gehe.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unbegründet ist.
Die angegriffenen Beschlüsse verstoßen im Ergebnis offensichtlich nicht gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht den Umstand, dass die Beschwerdeführerin bei der Zweitveröffentlichung das gesamte Foto, von dem sie bei der Erstveröffentlichung nur einen - unter anderem das Gesicht der Klägerin umfassenden - Ausschnitt in vergrößerter Form publiziert hatte, als Veröffentlichung eines identischen Bildnisses bewertet hat. Diese Folgeberichterstattung bezieht sich zwar anders als die ursprüngliche Berichterstattung, hinsichtlich derer ein rechtskräftiges Verbot der Veröffentlichung des Fotos erging, nicht mehr auf eine Unterstützung von Fahndungsmaßnahmen der Polizei im Zusammenhang mit den Ausschreitungen beim G20-Gipfel Anfang Juli 2017 in Hamburg. Aus dem Begleittext der Folgeberichterstattung wird jedoch deutlich, dass die Beschwerdeführerin das Foto erneut veröffentlicht hat, weil sie das gerichtliche, von ihr nicht mit dem Rechtsmittel der Berufung angegriffene Veröffentlichungsverbot für falsch hält. Aus der Pressefreiheit lässt sich indes kein Recht ableiten, gerichtliche Veröffentlichungsverbote mit Mitteln der Presse unterlaufen zu können.
3. Von einer Begründung im Übrigen wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.