Kampf gegen Online-Beschimpfungen - Renate Künast erringt juristischen Teilsieg
Stellungnahme zum Beschluss des LG Berlin vom 26.11.2019 in Sachen
Künast ./. Twitter
Az.: 27 O 433/19
Mit Beschluss vom 26.11.2019 hat das Landgericht Berlin über die von den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten der Media Kanzlei eingelegte Beschwerde der Antragstellerin, Frau Renate Künast, in dem Auskunftsverfahren bezüglich mehrerer rechtsverletzender Äußerungen, die auf dem Portal „Twitter“ über die Antragstellerin verbreitet wurden, entschieden. Dem Antrag auf Gestattung der Auskunftserteilung über die Nutzerdaten lagen folgende Äußerungen über die Antragstellerin zu Grunde:
- „ @welt OT Künast:Renate Künast 1986 zum Thema Sex mit Kindern: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist!“ Die Alte ist pervers und krank
- „Renate Künast 1986 zum Thema Sex mit Kindern: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist!“ Abartige… http://ln.is/m.welt.de/politik/de/B0qfD … via @Irigyt“
- „Renate Künast Grüne - Pfui, als Kinderlose Parteimitglied , Sex mit Kindern als normale, erlaubte Handlung sieht ‼“
- „Renate Künast: "Ja, zu Sex mit Kindern" https://youtu.be/U40DJ7UPKVI?t=13m46s …“
- „Renate Künast 1986 zum Thema Sex mit Kindern: "Komma, wenn keine Gewalt im Spiel .Perverses Pack umgibt uns http://m.welt.de/politik/deutschland/article141406874/Gruenen-Politikerin-Kuenast-geraet-in-Erklaerungsnot.html … …“
Landgericht weist Antrag zurück - Politikerin muss scharfe Äußerungen dulden
Das Landgericht hat den Antrag – ebenso wie den Antrag aus dem Parallelverfahren bezüglich weiterer Äußerungen über die Antragstellerin auf „facebook“ – zurückgewiesen. Die nach unserer Ansicht oberflächliche Begründung für die Zurückweisung lautete, dass die Antragstellerin als Politikerin auch scharfe Äußerungen dulden muss und die vorliegenden Äußerungen nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreiten würden.
Mit ihrer gegen den Beschluss gerichteten Beschwerde verfolgte die Antragstellerin ihr Ziel auf Gestattung der Auskunftserteilung über die Nutzerdaten derjenigen, die die Posts verfasst hatten, weiter. Das Landgericht ist der Beschwerde nun hinsichtlich einer Äußerung gefolgt: In dem Post „Renate Künast: "Ja, zu Sex mit Kindern"“ sieht das Landgericht eine unwahre Tatsachenbehauptung durch das Unterschieben eines Falschzitates und folgt damit unserer Argumentation vollumfänglich. Die Von dem Nutzer verbreitete Aussage „Ja, zu Sex mit Kindern“ hat die Antragstellerin nie getroffen.
Hinsichtlich aller anderen Äußerungen hat das Landgericht jedoch erneut entschieden, dass es sich um zulässige Meinungsäußerungen handelt und der Antragstellerin nicht Auskunft über die Nutzerdaten erteilt werden darf. Nach unserer Auffassung ist diese Entscheidung falsch.
Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei „Die Alte ist pervers und krank“, „Abartige“ und „Perverses Pack“ nicht um Beleidigungen im Sinne des § 185 StGB. Die Behauptung „Renate Künast Grüne - Pfui, als Kinderlose Parteimitglied , Sex mit Kindern als normale, erlaubte Handlung sieht ‼“ wertet das Gericht nicht als Tatsachenbehauptung über die Einstellung der Antragstellerin, sondern ebenfalls als zulässige Meinungsäußerung. Das Gericht verweist bei der Begründung weitgehend auf die Begründung aus dem angegriffenen Zurückweisungsbeschluss und setzt sich erneut nicht mit jeder einzelnen Äußerung auseinander und nimmt die gesetzlich zwingend vorgesehene Interessenabwägung vor, sondern weist pauschal auf Allgemeinplätze hin. Der Bedeutung und Tragweite des Ehrschutzes der Antragstellerin wird der Beschluss daher erneut nicht gerecht. Die Chance, die eklatanten Rechtsfehler aus dem Ausgangsbeschluss zu beheben, hat das Gericht nicht genutzt. Die Entscheidung des Landgerichts ist daher ebenso enttäuschend wie der Erstbeschluss und wird weder den gewichtigen persönlichkeitsrechtlichen Interessen der Antragstellerin noch dem gesetzlich vorgeschriebenen strafrechtlichen Ehrschutz anderer Betroffener von Hate Speech gerecht. Diese bleiben weiterhin faktisch schutzlos gegen schwerste Beleidigungen und Hetze im Netz. Das Gericht plädiert außerdem ausdrücklich dafür, dass Äußerungen, die im Internet verbreitet werden, nicht an den gleichen Maßstäben zu messen seien, wie andere Behauptungen:
„Zudem handelt es sich um eine Äußerung, die im Internet über das soziale Netzwerk der Beteiligten (Twitter, Anm. d. Verf.) abgegeben wurde. Bei Äußerungen im Internet ist bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen ein großzügiger Maßstab anzulegen, weil es sich hier grundsätzlich nicht um einen Ort des Höflichkeitsaustausches handelt und diese Eigenart sowie die besondere Internetsprache zu berücksichtigen sind.“
Freifahrtschein für Verbreiter von Hassnachrichten im Netzt - Antrag wird dem Kammergericht Berlin zur Entscheidung vorgelegt
Damit verteilt das Landgericht einen Freifahrtschein für die Verfasser von Hassnachrichten und Hetzposts im Internet und gibt ein völlig falsches Signal zu Lasten der Debattenkultur und des persönlichkeitsrechtlichen sowie strafrechtlichen Ehrschutzes. Der Antrag wird nun dem Kammergericht Berlin zur Entscheidung vorgelegt.
Renate Künast kämpft gegen Online-Beschimpfungen und erringt kleinen Erfolg
Spiegel Online vom 03.12.2019