Media Kanzlei mit Präzedenzfall beim LG Frankfurt gegen Bild - Gegendarstellungsanspruch
Unser Mandant ist Rechtsanwalt. Im Jahr 2016 konnte er erwirken, das auf bild.de eine Gegendarstellung bezüglich eines Artikels, in welchem über ihn unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt wurden, veröffentlicht werden musste.
Durch Löschung des Artkels entstanden persönlichkeitsrechtsverletzende Behauptungen
In der Zwischenzeit wurde der ursprüngliche Artikel gelöscht. Abrufbar auf bild.de war einzig die Gegendarstellung, die durch Nennung des Namens unseres Mandanten sowie durch Bezugnahme auf den nicht mehr verfügbaren Ausgangsartikel Rückschlüsse auf die persönlichkeitsrechtsverletzenden Behauptungen über unseren Mandanten zuließ. Trotz wiederholter Aufforderung zur Entfernung kam die Bild dem Wunsch nicht nach. Im Verfahren berief sie sich u.a. auf die Rechtsprechung zu Online-Archiven.
Media Kanzlei erreicht Präzedenzfall für Mandanten
Mit Hilfe der Media Kanzlei konnte der Mandant nun in einem Präzedenzfall erreichen, dass die ursprünglich von ihm erwirkte Gegendarstellung ebenfalls von der Plattform bild.de entfernt werden muss, da sie mittlerweile nicht mehr seinen Interessen dient, sondern eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts darstellt. Eine derartige Entscheidung auf Entfernung einer Gegendarstellung ist nach Kenntnis der Anwälte der Media Kanzlei einmalig, handelt es sich doch bei der Löschungsverweigerung der Gegendarstellung unseres Erachtens um reine Schikane.
Landgericht Frankfurt, Urteil vom 17.10.2019, Az. O 452/18 – nicht rechtskräftig
Entscheidungsgründe des presserechtlichen Falles
Die Klage ist begründet.
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Bereithaltung der angegriffenen Gegendarstellung aus den §§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG (Antrag zu I.).
Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH NJW 2016, 789 Rn. 20; BGH NJW 2016, 56 Rn. 29, BGH NJW 2014, 2029 Rn. 22; jew. m.w.N.).
Hier ist das Schutzinteresse des Klägers aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG mit dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK abzuwägen.
Das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist durch die angegriffene Gegendarstellung betroffen. Denn die Gegendarstellung enthält den Namen des Klägers und greift – wie bei einer Gegendarstellung üblich, was auch die Parteien anerkennen - den Inhalt der ursprünglichen Berichterstattung auf und stellt den konkret angegriffenen Behauptungen die Entgegnung des Klägers gegenüber.
Dieser Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist unzulässig.
a.
Beim Gegendarstellungsanspruch handelt es sich um einen nichtvermögensrechtlichen Rechtsbehelf „sui generis" (BGH AfP 1976, 75, 83 — Panorama, Seitz, Gegendarstellung, 5. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 15 m.w.N.). Demjenigen, dessen Angelegenheiten in den Medien öffentlich erörtert werden, wird ein Anspruch darauf eingeräumt, an gleicher Stelle, mit derselben Publizität und vor demselben Forum mit einer eigenen Darstellung zu Wort zu kommen. Er kann sich alsbald und damit besonders wirksam verteidigen, während etwaige daneben bestehende zivil- und strafrechtliche Mittel des Persönlichkeitsschutzes bei Durchführung des Hauptsacheverfahrens regelmäßig erst in einem Zeitpunkt zum Erfolg führen, in dem der zugrunde liegende Vorgang in der Öffentlichkeit bereits wieder vergessen ist (BVerfG NJW 1983, 1179; Seitz, a.a.O., Kap. 1 Rn. 17). Der Anspruch dient dem Schutz der Selbstbestimmung des Einzelnen über die Darstelljjng der eigenen Person. Der Einzelne soll selbst darüber befinden dürfen, wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit darstellen will, was seinen sozialen Geltun gsanspruch ausmachen soll und ob oder inwieweit Dritte über seine Persönlichkeit verfügen können, indem sie diese zum Gegenstand öffentlicher Erörterung machen {BVeriG NJW 1983, 1179, 1180 m.w.N.). Dem entspricht es, dass der von einer Darstellung in den Medien Betroffene die rechtlich gesicherte Möglichkeit haben muss, dieser mit seiner Darstellung entgegenzutreten (BVerfG NJW 1983, 1179, 1180; BVerfG NJW 1998, 1381, 1382). Im anderen Fall wäre er zum bloßen Objekt öffentlicher Erörterung herabgewürdigt (BVerfG NJW 1983, 1179, 1180). Die Gegendarstellung bleibt stets an eine Erstmitteilung in der Presse gebunden. Nur wer zunächst von ihr zum Gegenstand öffentlicher Erörterung gemacht worden ist, kann den Abdruck seiner Darstellung verlangen (BVerfG NJW 1998, 1381, 1382).
Die Gegendarstellung zwingt die Presse allerdings im Unterschied zu Widerruf und Richtigstellung nicht, von ihrer Sicht der Dinge abzurücken (BVerfG NJW 1998, 1381, 1382).
Bei der Gegendarstellung gilt der Grundsatz, dass Tatsache gegen Tatsache gestellt wird. Erforderlich ist hierbei die sachgerechte Anknüpfung an die Erstmitteilung (Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, §29 Rn. 27 f.).
Der Betroffene hat das Recht, die Veröffentlichung einer Gegendarstellung zu verlangen, die aus sich allein heraus verständlich ist und den Leser in die Lage versetzt, sofort den Vergleich zwischen der beanstandeten Tatsachenbehauptung und der Entgegnung zu ziehen (Seitz, a.a.O., Kap. 5 Rn. 129 m.w.N.). Hierbei sind auch Wiederholungen aus der Erstmitteilung möglich und erforderlich bzw. zweckmäßig, wenn sie der Verdeutlichung der Gegendarstellung dienen (Wenzel/Burkhardt, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 11 Rn. 78 f. m.w.N.; Seitz, a.a.O., Kap. 5 Rn. 129). Hierbei wird empfohlen, so nah wie möglich am beanstandeten Text der Erstmitteilung zu bleiben, wobei die wörtliche Wiedergabe helfe, Risiken zu vermeiden (OLG München NJW-RR 2001, 832, 834; Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 11 Rn. 81; Soehring/Hoene, a.a.O., § 29 Rn. 28; Seitz, a.a.O., Kap. 5 Rn. 131).
Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass § 56 Abs. 1 RStV ausdrücklich lediglich die Mindestdauer der Vorhaltung einer Gegendarstellung regelt, nicht aber eine Maximaldauer. Aufgrund der Besonderheit von Telemedien regelt § 56 Abs. 1 S. 3, 4 RStV, dass die Gegendarstellung in den Fällen, in denen die Ursprungsmitteilung zwischenzeitig entfernt wurde, so lange anzubieten ist, wie die ursprüngliche Tatsachenbehauptung. Dieses Gebot dient der Waffengleichheit, da die Gegendarstellung eine ähnliche Rezeption erhalten soll wie die Ursprungsmitteilung (vgl. Löffler/Sedelmeier, PresseR, 6. Aufl. 2015, § 11 Ftn. 173, 287c m.w.N.; Spindler/Schuster-Mann, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 56 RStV Rn. 25; BeckOK-lnfoMedienR/Fiedler, 24. Ed. 1.8.2018, § 56 F StV Rn. 40).
b.
In Anwendung dieser Grundsätze greift die weitere Vorhaltung der Gegendarstellung in unzulässiger Weise in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein.
Denn bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegen hier die Interessen des Klägers diejenigen der Beklagten.
Die Kammer hat bei der gebotenen Abwägung insbesondere die folgenden Gesichtspunkte berücksichtigt.
Die nunmehr vom Kläger angegriffene Äußerung in Form einer Gegendarstellung wurde zunächst allein auf das Betreiben des Klägers hin veröffentlicht, worauf die Beklagte zu Recht hinweist. Ausgangspunkt für die Gegendarstellung war aber die Berichterstattung auf der Webseite der Beklagten. Dort wurde über den Kläger unter voller Namensnennung und mit Bildnis berichtet und hierbei wurden auch die zum Inhalt der Gegendarstellung gemachten Behauptungen aufgestellt. Der Kläger hat dementsprechend hierauf unter Wahrnehmung der ihm gem'äß § 56 Abs. 1 RStV zustehenden Rechte reagiert und die streitgegenständliche Gegendarstellung enwirkt. Er hat dadurch von dem oben dargestellten Recht Gebrauch gemacht, seine Sicht der Dinge derjenigen der Bild GmbH & Co. KG entgegen zu stellen Hierbei hat er zunächst auf die Berichterstattung unter Angabe der URL Bezug genommen und die konkret gerügten Behauptungen, entsprechend der Empfehlungen in der Literatur und der Rechtsprechung (vgl. OLG München NJW-RR 2001, 832, 834), wiederholt.
Weiter war zu berücksichtigen, dass die Bild GmbH & Co. KGi, nachdem die Kammer ihr die entsprechenden Äußerungen untersagt hatte, eine Abschlusserklärung abgegeben hat.
Zudem hält die Beklagte den Artikel, der die streitgegenständlichen Behauptungen enthielt, schon seit längerer Zeit nicht mehr abrufbar.
Schließlich war von Relevanz, dass die Kammer im Hinblick auf die angegriffene, mittlerweile entfernte, aber in der Gegendarstellung in Bezug genommene Berichterstattung entschieden hat, dass die im streitgegenständlichen Artikel erfolgte Identifizierung des Klägers im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Missbrauchs und der Erpressung einer Minderjährigen unzulässig in dessen Rechte eingriff (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 22.06.2017 - 2-03 O 355/16, AfP 2017, 453 m. Anm. Müller-Riemenschneider/Herrmann). Diese Auffassung hat das OLG Frankfurt a.M. bestätigt (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 24.05.2018 - 16 U 108/17, nicht rechtskräftig).
Weiter hat die Kammer einbezogen, dass das Recht auf Gegendarstellung dem Schutz des Betroffenen dienen soll und mit der gesetzlichen Regelung zusätzliche Belastungen des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen nicht intendiert waren, so dass das Recht auf Gegendarstellung nicht zu seinen Lasten wirken sollte.
Zusätzlich betrachtet die Beklagte die Äußerung des Klägers selbst nicht als eigene Äußerung, sondern argumentiert, dass erst durch die Verbindung mit ihrer Anmerkung eine eigene Äußerung vorliege. Das Interesse der Beklagten an der Vorhaltung der Äußerung des Klägers ist dementsprechend auch nach ihrem eigenen Dafürhalten nicht als überaus gewichtig anzusehen.
Insoweit kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Gegendarstellung aufgrund ihrer Anmerkung „X hat recht“, als eigene Äußerung Schutz verdiene. Denn § 56 Abs. 1 S. 5 RStV bestimmt, dass eine Glossierung der Gegendarstellung nicht unmittelbar mit der Gegendarstellung verknüpft werden darf (vgl. insoweit Spindler/Schuster-Mann, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 56 RStV Rn. 27). Verfassungsrecht ich ist diese Regelung nicht zu beanstanden (KG Berlin AfP 2012, 474; Seitz, a.a.O., Kap. 7 Rn. 83 m.w.N.; Löffler/Sedelmeier, a.a.O., §11 Rn. 287c). Diesem Gebot hat die Beklagte zuwider gehandelt, indem sie ihre Anmerkung mit der Gegendarstellung des Klägers unmittelbar verknüpft hat und diese nur gemeinsam darstellt. Aus einem solchen Rechtsverstoß kann die Beklagte jedoch keine für sie günstigen Folgen ableiten.
Ferner hat die Kammer zu Gunsten der Beklagten berücksichtigt, dass es zutrifft, dass gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren geführt wurde, über das im streitgegenständlichen Artikel berichtet wurde. Gegen den Kläger ist wegen eines Teils der Vorwürfe mittlerweile ein rechtskräftiger Strafbefehl ergangen. Die in der Gegendarstellung angegriffenen Behauptungen, dass der Kläger ein Geständnis abgegeben habe und gegen ihn wegen Zuhälterei ermittelt worden sei, sind durch den Strafbefehl hingegen nicht bestätigt worden.
Darüber hinaus wirkte zu Gunsten der Beklagten, dass die Gegendarstellung nur durch Eingabe der URL bzw. durch eine Suche auf der Webseite der Beklagten abrufbar ist. so dass von einer geringen Breitenwirkung und damit einer reduzierten Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers auszugehen ist.
Die Kammer hat auch berücksichtigt, dass sich die Beklagte auf die Rechtsprechung zu Online-Archiven (vgl. zuletzt BGH NJW 2019, 1881) beruft. Diesbezüglich war aber einzustellen, dass es im vorliegenden Rechtsstreit gerade nicht um eine Altmitteilung der Beklagten geht. Diese Altmitteilung, der ursprüngliche Bericht, ist im Online-Archiv der Beklagten auch bereits seit Jahren nicht mehr enthalten. Anders als in den von der Beklagten angeführten Fällen geht es vorliegend auch gerade nicht um eine Berichterstattung über eine erfolgte Verurteilung, sondern um konkrete Äußerungen, deren Unwahrheit auch die Beklagte nicht mehr angreift und zu denen eine Abschlusserklärung abgegeben wurde. Die Gegendarstellung des Klägers, die auch nach Auffassung der Beklagten allein eine Äußerung des Klägers ist, ist aber mit einer Berichterstattung der Beklagten kaum zu vergleichen. Auch insoweit wiegt der Eingriff in die Rechte der Beklagten daher eher geringer.
Die Beklagte argumentiert ferner, dass sich aus der Rechtsprechung zu Online-Archiven ein Anspruch der Presse auf Integrität und Vollständigkeit des Archivs ableiten lassen. Unabhängig davon, ob dies zutrifft, kommt dem jedoch im vorliegenden Fall geringere Bedeutung zu, da die entsprechende Ursprungsmitteilung, gegen die sich die Gegendarstellung wendet, nicht mehr abrufbar ist. Das Online-Archiv der Beklagten ist dementsprechend unabhängig von derr weiteren Abrufbarkeit der Gegendarstellung des Klägers bereits unvollständig und schon die Gegenvorstellung für sich ist nur noch in beschränktem Umfang für den Leser verständlich, greift aber dennoch die damals erhobenen Vorwürfe gegen den Kläger für den Leser hinreichend verständlich auf, so dass der Kläger weiterhin mit den Vorwürfen in Verbindung gebracht wird.
Die Kammer erkennt in dem Verhalten des Klägers auch kein widersprüchliches Verhalten im Sinne von § 242 BGB, so dass die entsprechend von der Beklagten erhobene Einrede nicht durchgreift. Der Kläger hat wie oben dargestellt angesichts der Berichterstattung der Beklagten von dem ihm zur Verfügung gestellten Recht auf Gegendarstellung Gebrauch gemacht, das es ihm ermöglcht hat, kurzfristig der Berichterstattung seine Sicht der Dinge entgegenzustellen, hierdurch hat der Kläger aber nicht erklärt, dass seine Erklärung auch dauerhaft und insbesondere unabhängig von der Verfügbarkeit der ursprünglich angegriffenen Mitteilung vorgehalten werden soll. Ferner scheidet ein widersprüchliches Verhalten des Klägers auch schon aus dem Grunde aus, dass sich die Umstände seit der Aufforderung zur ursprünglichen Veröffentlichung der Gegendarstellung maßgeblich geändert haben. Denn zwischenzeitig — und bereits vor langer Zeit — ist ja gerade der Ausgangsbericht von der Beklagten entfernt worden, so dass es nichts mehr gibt, dem der Kläger seine Sicht der Dinge entgegen stellen müsste.
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